Einführung
Seit jeher erlebt der Mensch das abstrakte Phänomen der Zeit im Medium konkreter Dinge. Dinge bewegen und verändern sich, sie entstehen und vergehen, haben bestimmte Dauern und wiederkehrende Rhythmen. Schon die elementarsten Praktiken des Zeitmessens beruhen auf der Beobachtung von Dingen und ihren sichtbaren Veränderungen: Die Zeit von etwas zu bestimmen heißt, sie zum Gang der Gestirne, den Zyklen des Mondes, dem Stand der Sonne oder dem Vorrücken der Uhrzeiger in Beziehung zu setzen.
Auch das Sprechen über Zeit vollzieht sich typischerweise unter Bezug auf Dinge und materielle Prozesse. Die Rede vom „Fluss der Zeit“ etwa nimmt auf das Fließen von Gewässern Bezug. Wer die Zeit als „reif“ für etwas empfindet, hat die Reifungsprozesse der Landwirtschaft vor Augen. Wer dagegen etwas Schlimmes erwartet, fühlt sich, als sitze er auf einem „Pulverfass“. So werden Dinge zu Bildgebern in Zeitmetaphern, die dem unanschaulichen Phänomen der Zeit ihren Anschauungsgehalt leihen.
Solche Zeitmetaphern sind mehr als rhetorische Stilmittel, sie sind „absolute Metaphern“ (Hans Blumenberg). Denn wir können über Zeit gar nicht anders sprechen als in Metaphern. „Wer über Zeit spricht, ist auf Metaphern angewiesen“, hat es der Historiker Reinhart Koselleck einmal treffend formuliert. In dem Maße, wie die Dinge, an denen wir Zeit erfahren, auch in den gesellschaftlichen Metaphernbestand eingegangen und sich in diesem sprachlich widerspiegeln, verschaffen uns die Zeitmetaphern einen einzigartigen Einblick in den engen und konstitutiven Zusammenhang zwischen Zeiterfahrung, Sinneswahrnehmung und Sprache. An ihnen zeigt sich die Funktion der Dinge im Erleben von Zeit, dadurch aber auch der Wandel von Zeiterfahrung im historischen Verlauf einer sich verändernden Dingwelt in der Moderne.
Unsere Datenbank rekonstruiert diesen historischen Wandel. Welche Dinge und Sinneserfahrungen werden herangezogen, um ein und dieselben Zeiterfahrungen zum Ausdruck zu bringen? Wie bringen neue Dinge mitunter gänzlich neue Zeiterfahrungen zum Ausdruck? Kurzum: Wie verändert sich das Sprechen über Zeit im Lauf der Zeit selbst?
Die Datenbank
Unsere Datenbank enthält knapp 900 als ‚Zitatanalysen‘ aufbereitete Zitate mit etwa 260 verschiedenen Zeitmetaphern, die von linguistischer und soziologischer Seite zusammengetragen wurden. Eine Vielzahl einzeln erfasster Parameter – von Autor, Quelle und Veröffentlichungszeitpunkt des Zitats über verschiedene sprach- und metaphernanalytische Kategorien, die im Zitat als Bildgeber angesprochenen Dinge und deren Eigenschaften bis hin zur darin ausgedrückten Zeiterfahrung – erlaubt eine gezielte und vielfältig kombinierbare Metaphern- und Zitatsuche nach verschiedenen Gesichtspunkten und Fragestellungen.
Der Materialsammlung in der Datenbank ging eine Wortanalyse von ‚Zeit‘ voraus, die in die Erstellung eines umfassenden Kategorienbaums zum Thema Zeiterfahrung mündete. Damit wurde eine Systematik zur analytischen Bestimmung bzw. Benennung der in den Metaphern ausgedrückten Zeiterfahrungen entwickelt. Die Zeitkategorien ermöglichen es darüber hinaus, verschiedene, auf den ersten Blick semantisch weit entfernte Zeitmetaphern analytisch zusammenzuführen, um sie auf temporale Gemeinsamkeiten hin zu befragen. Zusätzlich zur Analyse entlang des Kategorienbaums wurde jede Metapher mit einem oder mehreren Schlüsselwort(en) versehen, das ihren spezifischen ‚temporalen Bedeutungsgehalt‘ prägnant zu bestimmen versucht (z.B. Dauer, Frist, Zeitpunkt, Zeitspanne, Plötzlichkeit u.a.).
Quellen und Quellengewinnung
Als Quellen wurden Zitate aus öffentlichen Texten seit Ende des 18. Jahrhunderts ausgewählt. In ihnen spiegelt sich nicht nur privates Sprechen, sondern stets auch kollektive Erfahrung, ohne die eine Metapher gar nicht erst verständlich wäre. Als Quellenarchiv diente unter anderem das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS), aber auch eigene Recherchearbeit in Pressearchiven, Büchern und anderen Texten; ganz gleich, ob es sich dabei um fiktionale, zum Beispiel literarische, oder um nicht-fiktionale Texte, zum Beispiel politische Kommentierungen des Zeitgeschehens, handelt.
Aufgrund dieser gemischten Quellenlage erhebt unsere Zitatsammlung keinerlei Anspruch auf Repräsentativität der Daten. Die Häufigkeit des Auftauchens einer Metapher in unserem Bestand entspricht nicht zwangsläufig der Häufigkeit des Auftauchens außerhalb der Datenbank. Um einen visuellen Eindruck vom Bestand unserer Datenbank zu erhalten, wird mittels der Zeitleiste ein Überblick über die zeitliche Verteilung der in der Datenbank gesammelten Zitate sowohl für den Gesamtbestand als auch für spezifische Suchergebnisse angezeigt. Mit Hilfe der Darstellungswerkzeuge oberhalb der Zeitleiste lassen sich die angezeigten Ergebnisse außerdem verfeinern und weiter eingrenzen.
Suchmöglichkeiten
1. Beginnen Sie mit einem der ausgewählten Zitate auf der Startseite und folgen Sie den Verknüpfungen, um eine erste Idee zu gewinnen, was die Datenbank leistet und wie sie funktioniert.
2. Öffnen Sie den Gesamtbestand der in der Datenbank enthaltenen Zitate, um sich einen Überblick über die Inhalte der Datenbank zu verschaffen. Standardmäßig sind die Zitate chronologisch geordnet, lassen sich jedoch auch nach Metapherntext, Ding, Zeiterfahrung oder Gesellschaftsbereich umsortieren.
3. Nutzen Sie die einfache Suchfunktion auf der Startseite, um bestimmte Inhalte zu suchen. Suchwörter können sich sowohl auf den Zitattext, die darin enthaltene Metapher, das darin enthaltene Ding, die in der Metapher ausgedrückte Zeiterfahrung, den Autor eines Zitats oder das (Original-) Jahr der Veröffentlichung beziehen. Nachdem die einfache Seite einmal betätigt wurde, öffnet sich die Erweiterte Suche. Über die Startseite können Sie wieder zur einfachen Suche zurückkehren.
4. In der Erweiterten Suche lassen sich die verschiedenen Suchparameter präzise definieren. Es können verschiedene Suchparameter miteinander kombiniert werden, indem durch einen Klick auf + neue Suchfelder geöffnet werden. Waagerecht nach rechts lassen sich UND-Verknüpfungen, senkrecht nach unten lassen sich ODER-Verknüpfungen erstellen. Es besteht zudem die Möglichkeit, die Suche auf bestimmte Zeiträume einzugrenzen. Wie bei Suchmaschinen üblich, können Sie durch Verwendung von Anführungszeichen nach genauen Wortfolgen suchen.
Ergebnisdarstellung
Die Ergebnisdarstellung erfolgt standardmäßig als Liste von ausführlichen Zitatanalysen. Über den Reiter „Tabelle“ lässt sich diese Darstellung zur tabellarischen Übersicht verkürzen.
Die Zitatdarstellung in der tabellarischen Übersicht enthält fünf Spalten, von denen jede als Sortierungskriterium ausgewählt werden kann:
- das Originaljahr der Veröffentlichung des Zitats
- die im Zitat verwendete Metapher
- das in der Zitat angesprochene Ding als Bildgeber der Metapher (einschließlich von weiteren im Zitat auftauchenden Dingen, sofern sie metaphorisch relevant sind)
- den Gesellschaftsbereich, in welchem das Zitat gebraucht wurde
- die durch die Metapher ausgedrückte Zeiterfahrung.
Ein Klick auf das Buchsymbol ganz links in der Ergebnisdarstellung öffnet die ausführliche Zitatanalyse. Diese enthält weitere Informationen zu den metaphorischen und dinglichen Bezügen des Zitats sowie gegebenenfalls Kommentare zum Zitat oder zur darin enthaltenen Metapher.
Ein Klick auf die blau markierten Wörter wirkt wie eine Sucheingabe und öffnet alle weiteren Einträge zu diesem Wort.
Die Datenbank bietet die Möglichkeit, die Einträge zum Thema „Revolution“ (siehe Über das Projekt) separat anzeigen zu lassen (Erweiterte Suche: Revolution: Ja) oder auszublenden (Revolution: Nein). Standardmäßig werden alle Arten von Einträgen gemeinsam dargestellt.